Alpine Wanderung vom Grimselpass zur Triebtenseelicke
- Corinna
- 22. Aug.
- 10 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 9. Sept.
Wer kennt sie nicht, die Triebtenseelicke. Ach was, noch nie davon gehört? Na, ich auch nicht und wenn ich mich zusammen mit meiner Freundin nicht verlaufen hätte, würde ich diese 'Lücke', die sich als waschechter Pass und Grenzübergang entpuppt hat, heute noch nicht kennen, geschweige denn begangen haben. Und überhaupt: es wäre mir nicht mal im Traum eingefallen!
Eigentlich sollte der heutige Titel ja lauten: 'Auf dem Panoramaweg vom Grimselpass zum Oberaarsee'. Dazu hätte ich euch ein paar hübsche Fotos gezeigt, wie wir auf dem Höhenweg unterwegs gewesen wären, den Staudamm des Sees begutachtet und ungläubige Blicke auf den dazugehörigen Gletscher geworfen hätten. Dazu Schnappschüsse von einem Wurstsalat im entsprechenden Berggasthaus, vielleicht noch eine Meringue mit Rahm dazu und danach wären zwei Frauen nach einer schönen Wanderung zufrieden und gesättigt wieder nach Hause gefahren.
Aber es kam alles anderst! Und wie!! Angekommen auf dem Grimselpass wusste ich zwar, in welcher Richtung wir loslaufen mussten...aber wie es mit meiner Freundin und mir so ist: wir landen immer wieder wo anders als geplant.

Wir standen nun vor dem Wegweiser und wussten: es sollte der Weg mit den angegebenen zwei Stunden werden. Also etwas gemütliches. Guten Mutes liefen wir los und nach wenigen Metern zweigte bereits nach links ein Weg von der Strasse (eine Mautpflichtige Strasse, die nur zu bestimmten Zeiten Richtung Oberaar befahren werden kann) ab. Wir also drauf los gestiefelt, am Totensee entlang und schon führte uns ein Weg nach oben.



Kaum am Totensee vorbei gelaufen, gings bergan. Hab ich schon erwähnt, dass es selbst auf dem Pass sehr, sehr warm war? Und wir beide schon vor der Wanderung etwas geschlaucht von der Hitze der letzten Tage und zuwenig Schlaf waren? Was vermutlich auch der Grund war, dass wir uns bereits nach diesen wenigen Höhenmetern wünschten, dass es nicht noch weiter hoch gehen sollte. Könnt euch ja jetzt schon denken, dass unser Wunsch nicht in Erfüllung ging.
Auf dem Hubbel angekommen, gings dann gemütlich auf einer Ebene weiter. Aber irgendwie wurde ich stutzig: sollten wir wirklich eine Bergkette umgehen, wie es momentan den Eindruck machte? Es sollte doch nur der Höhenweg oberhalb der Mautstrasse sein, den wir gehen wollten und die Strasse, nun ja, die befand sich auf der anderen Seite der Bergkette...und überhaupt war sie mittlerweile auch noch in weiter Entfernung. Und die Fragen aller Fragen: müssten wir die Bergkette irgendwann überqueren, um am Oberaarsee anzukommen? Wir wischten die Bedenken beiseite und befanden: so schlimm kann es ja nicht werden, machen wir halt den längeren Weg! (Spoiler: und es wurde schlimmer...sehr viel schlimmer sogar...!🙃)

Nachdem wir eine Weile gegangen waren, beschlossen wir, eine kurze Pause zu machen. Schnell waren Getränke und Äpfel ausgepackt. Ich, auf der einen Seite des Weges bequem auf einem Stein positioniert, meine Freundin auf der anderen Seite des Weges, ebenfalls in entspannter Pose. "Fängst du den Apfel?" rief ich ihr zu. "Jo!" kam es zurück. Kurzerhand den Apfel in ihre Richtung geworfen und schon fiel er ihr vor die Füsse. Aber anstatt dort liegen zu bleiben, setzte der Apfel stur und ungehindert seinen Weg zwischen all den Steinen (sh. obiges Bild) fort, rollte kurzerhand einen Abhang hinunter und kam in einem sprudelnden Bächlein zu liegen. So ein Mist! Und nein, keine von uns hatte Lust irgendwo von weit unten den Apfel wieder hochzutragen...

Doch weiter gings. Mit geringer Steigung liess es sich noch gut laufen, doch es wurde immer klarer, dass zwischen Oberaarsee und uns die Berge lagen. Nun ja, das sollte uns die Laune nicht verderben und wir steuerten als nächstes den Jostsee an. Den Weg, den wir begingen, gehört übrigens zur 9-Seen-Wanderung im Grimselgebiet und der Jostsee ist einer davon.

Beim obigen See dachten wir, dass es sich bereits um den Jostsee handelt, doch wie sich später herausstellte, war dem nicht so. Doch die Aussicht und Lage gefielen trotzdem.

Auch dieser zweite See, der wegen all der Wollgräser und Steinen kaum zu erkennen war, war nicht der Jostsee...

Endlich erreichten wir besagten See, in dem ein paar Mutige auch einen kurzen Schwumm wagten. Links vom See gehts weiter zur 9-Seen-Wanderung, rechts davon zur Triebtenseelicke. Soviel war mittlerweile schon klar: wir mussten da durch, damit wir an unser Ziel kamen. Und schaut euch die Bergflanke oberhalb des Sees an: irgendwo da mussten wir rüber. Aber wir wussten es zu diesem Zeitpunkt noch nicht und kämpften uns in der Folge weiter unwissend nach oben.


Nun wurde der Weg definitiv steiler, der nächste Hubbel tat sich vor uns auf und die Hoffnung, dass die Lücke, durch die wir wollten, irgendwo mitten durch die Felsen führen würde wurde inniger. Doch davon war nichts zu erkennen. Irgendwann wars aber genug. Meine Freundin sprach den nächstbesten Wanderer an und wollte wissen, wie lange wir noch bis zum Oberaarsee hätten. "Was? Soweit wollt ihr noch gehen?" Ich gebs zu, die Aussage hat mich ein wenig irritiert, denn nach meinem ursprünglichen Plan wäre das ja kein Ding gewesen. Unbeirrt fuhr er fort: " Jo...eigentlich müsst ihr nur noch den Pass hoch (dabei wies er leger mit der Hand auf den Berggrat!) ...und wenn ihr schon dort oben seid, könnt ihr auch noch grad zum Gipfelkreuz hoch, zum Sidelhorn. Sind dann nur noch etwa 100 Meter höher. Kein einfacher Weg, aber wenn ihr schon mal auf dem Pass seid..."
Den Rest lass ich mal so stehen. Es reichte, dass unsere Verzweiflung den gefühlten Höhepunkt erreichte, doch wie gesagt: schlimmer geht immer.

Ausgerüstet mit zwei Äpfeln (einen davon unterwegs verloren) , ein paar Nüssen, getrockneten Rosinen (so sah ich mittlerweile auch aus) und etwas zu Trinken, waren wir langsam nicht nur mit unserem Proviant am Ende, sondern auch an dem unserer Kräfte. Aber was wäre die Lösung gewesen? Sich hinzulegen, bis die Geier über uns kreisen? Ja, darüber hab ich ernsthaft nachgedacht. Den Weg zurück zu laufen? Kam nicht in die Tüte. Also blieb uns nur noch die Passquerung...vom Wallis in den Kanton Bern. Wer hätte das gedacht!?



Wir mobilisierten all unsere Kräfte und stiegen den T3 Weg hoch. Falls euch nicht klar ist, was das sein soll: per Definition ist es anspruchsvolles Bergwandern, führt durch steiles und steiniges Gelände mit gelegentlichen Kletterpassagen, wozu auch hin und wieder die Hände gebraucht werden. Die Wege sind nicht durchgehend gut zu erkennen und ja: uns beide hat es geschlaucht. Schon am Ende unserer Kräfte dort angelangt und dann das. Mann, was hatten wir Mitleid mit uns selbst. Wer aber kein Mitleid hatte, war die Sonne. Die brannte runter, was das Zeug hielt, wunderbar reflektiert von Höhe und Gestein und ich, die nie Sonnencreme benutzt, hatte den Sonnenbrand des Lebens! (Spoiler: am nächsten Tag ruckzuck Sonnencreme und Aprés-Soleil gekauft, das nächste mal bin ich ausgerüstet!)

Auf dem Pass angekommen, war wieder mal dringend eine Pause nötig, mein Wasser ging langsam dem Ende zu, das Futter auch. Was ein Elend. Doch bei dieser Wanderung merkte ich wirklich, was das an Energie verbraucht und wusste bereits hier: bei einer nächsten Wanderung kommt nicht nur Sonnencreme in den Sack sondern vor allem viiel zu trinken und ausreichend Verpflegung (wer weiss, wohin ich mich das nächste mal verlaufe).


Nun standen wir also hier: auf einem Pass, von dem wir noch nie hörten und dessen Besteigung auch nie auf unserem Plan stand. Und doch schauten wir von hier hoch auf das Sidelhorn. So nah und doch so fern. Würden wir jemals wieder so nah ran kommen? Ich weiss es nicht...Sollten wir doch noch diesen kurzen Weg unter Aufbietung unserer letzten Kräfte machen? Es juckte uns in den Fingern, doch die Vernunft siegte. Wir waren schon so k.o. dass wir befürchteten, nach diesem Aufstieg nicht mehr genug Energie für den Rückweg zu haben und so liessen wir es bleiben. Und es sollte sich zeigen, dass dies die richtige Entscheidung war, denn der weitere Weg war auch nicht ohne.

Wir machten uns dann an den Abstieg, verloren die Wegmarkierung aus den Augen und drehten uns kurz im Kreis, bevor wir wieder auf den rechten Weg kamen.

Weiter gings von der Bäregg Hütte auf einem T2 Weg in Richtung Triebtensee. Schliesslich kamen wir an eine Verzweigung, wo wir uns entscheiden mussten: nach links noch zum Oberaarsee oder gleich nach rechts zurück zum Grimselpass? Da wir immer noch ziemlich geschlaucht waren, fiel die Entscheidung einstimmig auf: Grimselpass!

Doch dieser Panoramaweg begann...mit einer Steigung. Schon wieder! Wie wenn wir nicht schon genug hoch gelaufen wären. Und ja, wir hatten in diesem Moment so was von genug! Einfach erschöpft, sowohl körperlich als auch mental. Immerhin war das eine interessante Erfahrung...erst recht, wenn du merkst: du hast immer noch einen kleinen Funken Energie, den du mobilisieren kannst. Und das haben wir getan. Geflucht über den erneuten Aufstieg, erstaunt über die Willenskraft, die wir beide immer wieder aufbieten konnten.

Doch der Panoramaweg machte seinem Namen alle Ehre. Was für wunderbare Ausblicke er bot. Und als wir einmal auf der Höhe waren, konnten wir beinahe eben weiterlaufen.





Ich kann euch gar nicht sagen, wie sehr wie es genossen, einen ganz normalen T2 Weg zu laufen, wieder zu Atem zu kommen und das Ziel in greifbarer Nähe zu wissen. Zum Glück wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was uns zum Abschluss erwarten würde.


Während wir uns der Husegghütte näherten, wähnten wir uns ganz nah am Ziel. Im Glauben, wir kämen in etwa auf derselben Höhe wie der Grimselpass an. Doch weit gefehlt. Wir waren viel zu hoch dafür!

Das Foto oben gibt nicht wirklich wider, was uns für ein Abstieg bevorstand. Immerhin konnten wir auf dem Weg bis hierhin wieder etwas Kraft sammeln, und die sollten wir auch brauchen: denn uns stand erneut ein T3 Weg bevor. Teils mit Händen, teils auch mit auf den Hintern setzen und nach unten klettern gings den letzten Rest unserer Wanderung weiter. Und im selben Moment wurde uns auch klar: hier hätten wir eigentlich zu Beginn unserer Wanderung hochsteigen sollen, das wäre tatsächlich der richtige Weg gewesen. Nun machten wir es einfach umgekehrt und stiegen über Granitblöcke und Gestein nach unten.


Etwa einen Kilometer liefen wir so runter und erreichten mit weichen Knien schliesslich wieder die Strasse, die vom Oberaarsee zurück zum Grimselpass führte. Mein Tipp für euch: solltet ihr direkt auf dem Höhen- oder Panoramaweg zum Oberarsee laufen wollen: folgt der Strasse bis fast zur Bergstation Sidelhorn, etwa 400 Meter vom Grimselpass entfernt. Dann könnt ihr euch die Passüberquerung über die Triebtenseelicke sparen.
Meine Freundin und ich schauten uns an und schliesslich hauchte sie: "Ich fühl mich wie vom Lastwagen überfahren!" Darauf ein Lachen von uns, zwei strahlende und verschwitzte Gesichter und ein Give me Five (oder wie man das nennt) und dies mit einem Stolz in der Brust, der unbezahlbar war. Wir hatten es geschafft!
Und damit bin ich am Ende...nicht nur meiner Kräfte sondern auch von der Geschichte ☺️
Corinna
Mit letzter Kraft zusammen gefasst:
📦 Triebtenseelicke – Pass mit Überraschungseffekt
🏔 Name: Triebtenseelicke (oder Trübtenseelücke – such’s dir aus).
📍 Lage: Zwischen dem Wallis (Jostsee-Seite) und dem Berner Oberland (Triebtensee/Grimselsee).
📐 Höhe: ca. 2’630 m ü.M. – gefühlt doppelt so hoch, wenn die Sonne erbarmungslos brennt.
🗻 Nachbar: Das Sidelhorn (2’764 m ü.M.) – nur ca. 100 Höhenmeter über der Lücke, aber 100 Gründe zu viel, wenn man schon platt ist.
🛣 Wegverlauf (ungeplant deluxe):
Start am Grimselpass (2’164 m) beim Totensee, genauer: an der Strasse zum Oberaarsee.
Fälschlicherweise den „kürzeren“ Weg gewählt → Spoiler: wurde länger, viiiel länger.
Höhenmeter: ca. 500-600m, mit dem ständigen rauf und runter ca. 800-1000m.
Weglänge: ca. 12 km (inkl. Umweg)
Totensee, Wollgras und falsche Jostseen passiert.
Endlich den echten Jostsee gefunden (Applaus!).
Weiter hoch zur Triebtenseelicke, T3-Gelände, Hände am Fels inklusive.
Oben: Fluchen, Staunen, Sonnenbrand.
Abstieg über Panoramaweg → traumhafte Aussicht, müde Beine, letzte Kraftreserven.
Dauer: Geplant Hin- und Rückweg Oberaarsee: 4–5 h → durch Umweg: 7–8 h
👀 Panoramaweg: Klingt nach Spaziergang. In echt: Steigungen, Stufen, Granitblöcke. Aber: unbezahlbarer Ausblick auf Grimselsee, Aaregletscher, Gelmersee und bei klarer Sicht das Finsteraarhorn.
🍏 Proviant-Anekdote:
Mit zwei Äpfeln gestartet.
Einer rollte ins Bächlein (R.I.P.).
Ergebnis: Halber Proviant + doppelter Energieverbrauch.
🌞 Sonnenbrand-Story:
Optimistisch ohne Sonnencreme losgezogen.
Ende: Hummer-Look deluxe.
Nächstes Mal? Sonnencreme, Après-Soleil, vielleicht gleich ein Sonnenschirm.
🥵 Energie-Level:
Anfang: „Ach, 2 Stunden, easy.“
Mitte: „Kreisen die Geier schon?“
Ende: Abklatschen und stolz wie Bolle.
😂 Fun Fact: Kaum jemand geht gezielt dorthin. Wir beide jedenfalls landen aus Versehen auf der Triebtenseelicke – und kommen mit einer epischen Story heim.



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