Klausenpass, Griesslisee, kalte Füsse...und die Sache mit der GPS Rebellion
- Corinna
- vor 5 Tagen
- 7 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 4 Tagen
Der Klausenpass ist wohl in erster Linie den in Lederkombis gehüllten und mit Helmen bewehrten Töfffahrern bekannt denn den Gletscherseeliebhabern. . Und das nicht ohne Grund. Etwa 48 Kilometer schlängelt sich die Strasse vom Kanton Uri, genauer dem Urner Schächental über den Pass bis zum Urner Boden und weiter bis zum Linthal im Kanton Glarus. Doch auch Auto- und Velofahrer, erst recht aber die Wanderer kommen hier auf ihre Kosten.
Nun, während der Klausenpass eine gewisse Bekanntheit hat, weiss kaum jemand etwas über den Griesslisee, der sich wenige Kilometer von der Passhöhe entfernt unterhalb des Clariden Berggipfel befindet. Ein Naturwunder, das schöner ist, als es jeder Post aufzeigen könnte.
Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich das erste mal etwas über diesen Griesslisee gesehen oder gelesen hatte: war's in einem Buch? Sendung? Kaffeesatz? Keine Ahnung, doch seit diesem Zeitpunkt wollte ich unbedingt dort hoch und einen Schwumm in diesem See wagen.
Vor zwei Wochen war es so weit. Ich im Wandermodus – und meine Schwester ebenfalls im entsprechenden Tenue gewandet. (Vielleicht kennt ihr sie schon aus früheren 'Verfahrungs-Episoden'). Sie verlässt sich blind auf das GPS – ich dagegen diesmal auf meine Erinnerungen an Google Maps. Und siehe da: Statt ständigem „Wo lang?!“ herrschte ungewohnte Navigationsruhe. Ich lotste uns souverän durch Altdorf Richtung Klausenpass. Und Zack! Waren wir oben. Ohne Umweg. Ich sollte einen Orden dafür kriegen...und meine Schwester auch, dafür dass sie das GPS still und leise zur Seite legte...

Bereits die Fahrt durch Altdorf und das Schächental war ein Traum: Postkartenidylle vom Feinsten. Wilhelm Tell, unser stattlicher Nationalheld, mit Sohn, Apfel und Armbrust stand stolz mit hoch erhobenen Haupt auf einem Sockel mitten in Altdorf, im Schächental dann die geschwungenen Hügel, die im Sonnenlicht grün leuchteten, die spitzen Gipfel rundum und der Ausblick auf den Stäubifall...das 'Ah' und 'Oh' meiner Schwester fand kein Ende. Und auch ich kriegte mich vor Begeisterung kaum noch ein.


Oben angekommen (1'948 m ü. M.), orientierten wir uns erst einmal: Wo war der See? Und was gab es sonst noch?
Vor Ort findet ihr:
ca. 70 kostenlose Parkplätze (schnell belegt im Sommer)
einen Kiosk mit Selbstbedienungsrestaurant
öffentliche, saubere Toiletten
die Bruder Klaus Kapelle (eingeweiht 1938)
ein gemütliches Bergrestaurant


Links vom Restaurant fanden wir schliesslich den Wegweiser zum Gletschersee. Der heisst hier nämlich nicht Griesslisee sondern ganz einfach Gletschersee...Diesen gibt es laut verschiedener Quellen erst seit etwa 20 bis 40 Jahren und bildete sich mit dem Rückzug des Claridengletschers. Während früher noch Eisschollen im See trieben, sind diese heute bereits nicht mehr vorhanden, auch der Gletscher zieht sich mehr und mehr vom See zurück, ist mit Geröll bedeckt und hinterlässt immer mehr Schmelzwasser im See.
Nachdem wir den Wegweiser entdeckt hatten, liefen wir stetig bergauf, zuerst dem Schotterweg entlang und später auf einem Trampelpfad quer über Schafweiden. Wir mussten nur den weiss-rot-weissen Zeichen folgen und uns an der Claridennordwand orientieren, so konnte nichts schiefgehen.

Eigentlich liegt der Urnerboden geographisch in Glarus und dennoch gehört er zum Kanton Uri. Von dort aus ist er auch nur in schneefreien Sommern zu erreichen, weshalb es eigentlich keinen Sinn macht, dass der Urner Boden zu Uri gehört und nicht zu Glarus, wo er geographisch ja hingehören würde.
Doch wie so oft, gibt es eine Geschichte zu dieser besonderen Lage: einst stritten sich die Urner und Glarner heftig um die Landesgrenzen und beschlossen, dass eine Entscheidung herbeigeführt werden musste. Sie einigten sich darauf, dass zur Sommersonnenwende auf jeder Seite bei Hahnenschrei jeweils ein Läufer auf den Pass geschickt wurde und dort, wo die beiden Läufer aufeinander trafen, die Grenze gezogen werden sollte. Während die Glarner nun ihren Hahn mästeten, damit dieser zur frühen Morgenstunde ein kräftiges Kikerikii ausstossen würde, liessen die Urner den ihrigen hungern. Sie gingen nämlich davon aus, dass ihr Hahn, vor Hunger getrieben, früh los krähen würde. Die Urner sollten recht behalten. Während ihr Hahn schon zeitig auf den Beinen war und der Läufer starte, schlief der Hahn der Glarner noch ein Weilchen. Als dieser erwachte und sich der Läufer vom Glarnerand endlich auf den Weg zum Pass machen konnte, war er bereits im Rückstand. Und so kam es, wie es kommen musste: der Urner war bereits über den Pass drüber und lief schon auf der anderen Seite wieder runter, als die beiden endlich aufeinander trafen. Dort sollte nun also die Grenze sein. Soviel Weideland hatten die Glarner nun verloren und so bat deren Läufer um Nachsicht und etwas mehr Land. Der Urner liess sich darauf ein unter der Bedingung, dass ihn der Glarner auf dem Rücken zurück auf den Pass tragen sollte. Diese Chance liess sich der Glarner natürlich nicht entgehen, setzte sich den Urner auf den Rücken und lief noch ein paar Schritte bergauf bis ihm der Schnauf ausblieb. Mit dem Urner auf dem Rücken trank er zur Stärkung etwas Wasser aus einem Bach und brach schliesslich tot zusammen. Gernau so und nicht anders wurden 1315 in der Schweiz Grenzen gezogen! Unvergesslich!



Schon bevor wir die Wiese mit den Schafen betraten, hörten wir lautes Blöken. Kurz darauf konnten wir den Grund dafür erkennen: Lämmer! Wir waren uns aber nicht ganz sicher, ob der Grund für das Blöken der Durst der Lämmer war oder der Beschützerinstinkt der Mütter, als verschiedene Wanderer über das Feld liefen. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem. Als wir schliesslich die Wiese erreichten, hatte das Blöken ein Ende, die Lämmer waren am säugen und die Schafe am fressen...oder sünnele 😊


Die Wanderung von der Passhöhe zum Gletscherseeli ist nicht schwer zu bewältigen: ca. 250 Höhenmeter sind zu gehen, das Ganze dauert etwa anderthalb Stunden je Weg. Das Besondere an dieser Wanderung ist aber, wie abrupt sich die Natur dabei verändert. Und das innert kürzester Zeit.

Während wir noch auf grünen Wiesen mit Findlingen unterwegs waren, konnten wir bereits den Schuttwall am Ende des Grüns erkennen.

Wie mit einem scharfen Messer zieht die Natur hier eine Grenze zwischen Wiese und Gestein. Mit einem Fuss noch auf dem Grün, mit dem anderen bereits auf losem Geröll unterwegs. Das war mehr als beeindruckend. Wir liefen noch einige Meter über diese Gesteinsmasse und dann lag er da! Zu unseren Füssen, der Griesslisee! In einem milchigen Grün strahlte er uns entgegen.

Die Grösse des Sees auf dem obigen Bild täuscht: er ist grösser, als er hier scheint. Doch in der Grösse des Gesteinfeldes scheint er beinahe unterzugehen. Den Gletscher selbst könnt ihr zum einen an der Gletscherhöhle und zum anderen an dem mit Geröll bedeckten Eis auf der rechten Seite des Sees erkennen. Einst überzog der Gletscher das ganze Gebiet, das nun nur noch aus losem Geröll besteht. Und auch wenn das Ganze unwirtlich aussieht, könnt ihr an dem leichten Grün an den Hängen erkennen, wie sich die Vegetation hier wieder ausbreiten wird. Ich bin gespannt, wie es hier in ein paar Jahren aussehen wird.
Nun standen wir also oben auf dem Murgang (heisst das so?)und überblickten den ganzen See. Doch da ich ja dort baden wollte, hielt uns nichts vom Abstieg zurück. Also gings weiter über loses Gestein nach unten, den markierten Pfaden entlang.




Als wir den Murgang endlich hinter uns hatten und auf der Ebene des Sees angelangten, gab es nur noch eines: Schuhe weg und Füsse ins Wasser. Schliesslich wollte ich erst die Temperatur testen, bevor ich mich in mein Badekleid schmiss. Ich freute mich schon darauf, bis....bis ich die Füsse drinnen hatte. Ich schaffte es knapp bis über die Fussknöchel und stand kurz vor dem Kälteschock! Puhhh, ich muss zugeben: das reichte bereits für eine Abkühlung...aber das Badekleid wollte ich dennoch nicht umsonst mitgenommen haben...also nichts wie rein damit ins Wasser.

Nach der Abkühlung machten wir uns wieder auf den Rückweg, auf demselben Weg wieder den Murgang hoch, bei den Schafen und all den Findlingen vorbei und landeten schliesslich bei einem verspäteten Mittagessen im Restaurant auf dem Klausenpass.
Es war ein fantastischer Ausflug und das meine ich ohne jegliche Übertreibung. Ich kann euch den Griesslisee sehr empfehlen, er ist es wert, den Weg auf sich zu nehmen, erst recht, da ihn noch nicht viele Leute kennen. Und ich weiss jetzt schon, dass ich wieder dort hochgehen werde. Vielleicht auch mal bei schlechterem Wetter...bei Nebel? Regen? In Thermowäsche? Das hab ich für mich noch nicht festgelegt, aber definitiv nicht im Winter, dann ist eh der ganze Pass zugeschneit und die Strassen dicht.
Und nun verabschiede ich mich von euch mit einem letzten Bild...

Hebets guet und bis zum nächsten Ausflug.
Corinna
Hier noch die Infos für euch zusammengefasst:
📍 Startpunkt: Klausenpass, Uri
📍 Ziel: Griesslisee unterhalb des Clariden
🥾 Dauer der Wanderung: ca. 1.5 Stunden pro Weg
📏 Höhenmeter: ca. 250 Hm
🅿️ Parken: Gratisparkplätze auf der Passhöhe (ca. 70 Plätze)
PS: Der Klausenpass ist im Winter geschlossen und öffnet meist von Mai/Juni bis ca. November. Hier könnt ihr euch erkundigen, ob er aktuell geöffnet hat: Und wenn ihr beim gesuchten Pass auf das + klickt, findet ihr noch weitere Infos dazu:
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