Spätherbst im Elsass - Teil 3: Auf den Odilienberg und die Haut Koenigsburg
- Corinna
- 5. Dez.
- 6 Min. Lesezeit
Nach unserem zweiten Tag zwischen Fachwerkhäusern und Städten stand uns der Sinn nach: raus in die Natur. Nicht gleich zum wandern aber weg von den gepflasterten Strassen. Und so fiel unsere Wahl auf den Odilienberg und die Haut Koenigsburg.
Odilienberg - die spirituelle Hochburg im Elsass
Wenige Kilometer von Ottrott entfernt liegt dieser 763 Meter hohe Berg, umgeben von Wäldern und vielen Wanderwegen. Das Kloster Hohenburg, ein Hotel, das Restaurant, archäologische Funde und viele Aussichtspunkte lohnen den Weg dort hinauf.

Gewidmet ist dieser Pilgerort der heiligen Odilia, die auch zur Schutzpatronin des Elsass wurde. Blind geboren im 7. Jahrhundert, wurde sie von ihrem Vater Etichon (auch Adalrich genannt) verstossen und in einem Kloster im Burgund versteckt. Doch als ihr dort anlässlich der Taufe die Augen mit geweihtem Öl gesalbt wurden, konnte sie wieder sehen. Ihr Bruder Hugo führte sie daraufhin wieder nach Hause zurück, doch diese Missetat musste er mit seinem Leben bezahlen: sein Vater tötete ihn kurzerhand. Nun, wie dem auch sei: Etichon gründete auf dem Berg die Abtei Hohenburg, versöhnte sich mit seiner Tochter uns setzte sie dort als erste Äbtissin ein.
Impressionen vom Odilienberg








In der Kapelle nebenan fand zum Zeitpunkt unseres Besuches eine gut besuchte Messe statt. Was mich aber interessierte: was ging da an der Theke links im obigen Bild ab? Was kritzelte der Herr dort die ganze Zeit rum? Als er schliesslich zum Gebet in den Raum der hl. Odilia entschwand, trat ich dorthin und entdeckte: einen Schreibblock! Hier können Kreuze gesetzt werden, für wen, wie oft und sogar wann für jemanden die Messe gelesen werden soll. Und dafür wurde nicht diskret um Spenden gebeten, sondern je nach Leistung konkrete Beträge von wenigen Euros bis zu 760 Euros verlangt. Tja… selbst im Hause der Heiligen gilt offenbar: Segenswünsche gibt’s, aber nicht gratis.
Nun wurde es langsam Zeit, die Weihrauchgerüche hinter uns zu lassen und wir traten wieder an die frische Luft, umrundeten die Anlage und besuchten noch den Shop. Hier findet ihr so einiges, vor allem natürlich rund um die heilige Odilia. Selbst Wasser aus der Quelle (dazu gleich mehr) oder entsprechende leere Flaschen, mit denen ihr zur Quelle schreiten könnt und euch das Wasser selbst abfüllt. Meine Freundin schnappte sich zwei leere Flaschen: "Nützt's nichts, schadet's auch nichts."


Bewaffnet mit diesen zwei Flaschen machten wir uns anschliessend auf den etwa 15 minütigen Fussweg bergab, auf der Suche nach dieser ominösen Quelle. Der Weg führte durch dichten Wald, vorbei an Gräbern, in denen verstorbene Ordensschwestern und -brüder bestattet wurden. Alles sehr idyllisch und uns tat das Beine vertreten einfach gut.


Nachdem wir diese wundersame Anlage, die auch ein Energieort sein soll (Hab nichts gespürt, denn ich bin wohl nicht empfänglich für derlei Energien) besucht hatten, entdeckten wir noch was ganz anderes: in der Anlage waren mehrere Blitzableiter befestigt, fein säuberlich mit der Warnung versehen, doch bitte mindestens drei Meter Abstand dazu zu halten, sollte ein Gewitter aufziehen. Ich würde mal so sagen: wer sich nicht dran hält, hat seinen direkten Lift ins Himmelreich reserviert - Expressfahrt inklusive...
Nun, weiter gings zur Haut Koenigsburg. Diese lag ebenfalls auf unseren Weg nach Ribeauvillé, wo wir für die nächsten zwei Nächte im richtigen Hotel 'Ami Fritz' gebucht hatten.
Kaum waren wir vom Berg runter, murmelte meine Freundin: "Uuups, der Tank ist auf dem letzten Strich." Wir fuhren noch ganz entspannt weiter – bis sie ein paar Kilometer später deutlich weniger entspannt sagte: "Äh… ich fahr schon auf Reserve!"
Ich war mir nicht sicher, wessen Stirn glänzte – ihre oder meine. Unser Ziel lag nur noch eine Bergauffahrt entfernt. Reicht der Sprit? Und falls nicht: Können wir einfach zurück runterrollen und hoffen, dass wir irgendwo unten an einer Tanke anlanden?
Kurz: eine unserer kleinen Pannen, komplett mit Nervenkitzel und Schweissbonus. Ich beruhigte sie und meinte lässig: 'Das reicht locker.' (Und hoffte insgeheim, dass das Auto mir zustimmt. Spoiler: es tat es dann auch.)
Die Haut Koenigsbourg
Durch wunderschöne Wälder gings bergauf bis sie sich vor uns auftat: die Haut Koenigsburg. Was für eine Anlage! Mit 260 Metern Länge thront sie als sogenannte Kammburg am Rande der Vogesen. Der Blick reicht bis zum Kaiserstuhl und bei schönem Wetter auch bis zu den Berner Alpen. Meinen Lebtag hatte ich noch keine so riesige Burganlage gesehen und beide standen wir staunend davor.
Impressionen der Koenigsbourg





Erbaut wurde die Burg im 12. Jahrhundert vom schwäbischen Herzog Friedrich dem II. Im Laufe des 17. Jahrhunderts zerfiel die Burg schliesslich zur Ruine bis sich viele Jahre später der deutsche Kaiser Wilhelm der Renovation annahm. In dessen Auftrag stellte der Architekt und Denkmalpfleger Bodo Ebhardt die Burg zwischen 1901 und 1908 wieder her. Seither wird ständig etwas renoviert und da die Burg zu den grossen Sehenswürdigkeiten in Frankreich gehört, kommen jährlich etwa 500'000 Besucher vorbei.
Während wir gemütlich durch die Anlage schlenderten und gelegentlich nach draussen linsten, winkte mir plötzlich ein älterer Herr zu. Sprachlich lagen wir irgendwo zwischen 'Nichts verstehen' und Pantomime, doch er flüsterte energisch: „Psst… hello… psst…“ und deutete aus dem Fenster.
Ich wollte ihm erklären, dass ich die Aussicht schon gesehen hatte, aber er beharrte: „No, no… look!“ Also steckte er seinen Kopf weit hinaus – und ich tat es ihm gleich. Und tatsächlich: Die Hügel leuchteten nicht mehr herbstgolden, sondern lagen in einem sanften bläulichen Dunst. Der Herr strahlte mich an, als hätte er mir ein kleines Geheimnis gezeigt, nickte zufrieden mit einem „You see?“ und verschwand wieder.
Damit war unser kleiner magischer Moment vorbei – und auch unser Ausflug auf die Burg neigte sich nun dem Ende zu.

Nach all den Treppen, Türmchen, Geschichten, Heiligen, Hügeln im Blaudunst und fast leerem Tank standen wir am Ende draussen vor der Burg. Wir blickten zurück auf Mauern, die mehr erlebt haben als wir je aufschreiben könnten – und die uns trotzdem ein paar erstaunliche, witzige und magische Momente gegönnt haben.
Damit schloss sich unser kleiner Ausflug in vergangene Zeiten: Unser Besuch auf den Odilienberg und die Koenigsbourg war offiziell beendet – und wir freuten uns bereits auf den nächsten Tag. Dann nehme ich euch nämlich mit nach Ribeauvillé, das märchenhafte Eguisheim und nach Kaysersberg...ja genau, dem Ort, wo Albert Schweitzer herkommt.
Bis bald
Corinna
Für alle, die schnell wissen wollen, worum’s geht
🏔️ Odilienberg – Spiritualität mit Aussicht
Höhe: 763 m – genug, um kurz zu vergessen, dass man eigentlich nicht wirklich wandern wollte.
Kloster, Pilgerort, Reliquien, Merowinger-Gräber – kurz: ein geschichtliches Überraschungsei.
Energieort? Vielleicht. Spürbar? Hm… sagen wir: nicht zwingend für alle Frequenzbereiche geeignet.
🧴 Die Wunderquelle
Entstand angeblich durch einen geistesblitzartigen Stockschlag der heiligen Odilia.
Wasser: gratis!
Wirkung: individuell interpretierbar.
Insider-Tipp: Flasche mitnehmen – oder wie meine Freundin: gleich zwei. (Tipp: bekommt ihr im Shop!)
⚡ Himmlische Sicherheitsvorkehrungen
Feinsäuberlich montierte Blitzableiter mit Abstandswarnung.
Offizielle Botschaft: „Bitte nicht zu nah ran.“
Inoffizielle Botschaft: „Himmelfahrt mit Express-Lift bitte vermeiden.“
🏰 Haut-Koenigsbourg – Wo selbst Burgen Komplexe bekommen
260 Meter Länge – im Grunde ein mittelalterliches Fitnessstudio mit Aussicht.
Erbaut im 12. Jahrhundert, restauriert im 20. – dazwischen hat sie eine längere Pause eingelegt.
Highlights: Zugbrücke, Adelstreppe, Bedienstetentreppe und mindestens 17 Orte, an denen man denkt: „Brr, ist das kalt hier.“
🌫️ Der blaue Dunst-Moment
Ein älterer Herr winkt.
Ein Fenster wird zum Geheimtipp.
Die Hügel strahlen blau.
Fazit: Manchmal braucht es keine Worte – nur jemanden, der „No, no… look!“ sagt.
⛽ Die Sache mit dem Tank
Tank fast leer.
Bergauffahrt.
Leicht erhöhter Puls beider Insassen.
Spoiler: Wir haben’s geschafft. (Der Tank zum Glück auch.)
🔮 Was erwartet euch nächste Woche?
Wir schlagen das nächste Kapitel im Elsass auf: Ribeauvillé, Eguisheim und Kaysersberg – drei Orte, die so hübsch sind, dass man sich fragt, ob da irgendwo heimlich Disney-Kulissenbauer wohnen. (Spoiler: einer davon diente angeblich als Vorlage für "Die Schöne und das Biest".)



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