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Von Weinbergschnecken, ihren Königen und der Kirche

  • Corinna
  • 12. Juli 2024
  • 4 Min. Lesezeit

Heute erzähle ich euch etwas über Schnecken, genauer gesagt: über Weinbergschnecken. Und dies, weil mir solche in den letzten Wochen immer wieder über den Weg liefen...ähem krochen, meinte ich. Zum einen finde ich diese Art von Schnecken wirklich schön (im Gegensatz zu den Nacktschnecken) und zum anderen erinnerte ich mich nach Jahren wieder daran, dass ich mal ein Schneckenzuchtseminar besucht hatte. Ja, ja...was man nicht schon alles so gemacht hat.



Bekanntlich sind Weinbergschnecken Zwitter und besitzen sowohl männliche als auch weibliche Geschlechtsorgane. Es gibt Schneckenarten, die sich so selbst befruchten können, doch nicht die Weinbergschnecke. Diese bildet nämlich zu unterschiedlichen Zeiten männliche oder weibliche Keimzellen in der Zwitterdrüse und muss sich deshalb zur Paarung einen geeigneten Partner suchen. Das ist allerdings nicht so einfach, denn wie wir ja wissen: Schnecken sind nicht die schnellsten Lebewesen auf unserem Planeten und kommen deshalb auch nicht wirklich weit in der Welt herum. Doch die Natur hat einiges für sie vorgesehen, damit sie sich fortpflanzen können: so paart sie sich als Hermaphrodit mit jeder anderen paarungswilligen Weinbergschnecke und um das etwas zu beschleunigen, haben die Schnecken eine Drüse auf dem Kopf, um andere Schnecken in freudiger Erwartung anzulocken.



Es mag wohl etwas dauern, bis die passende Schnecke vorbeikommt aber dann gehts endlich zur Sache: die Schnecken stellen sich gegenseitig am Fuss auf und leiten ein Vorspiel ein, dass bis zu 20 Stunden dauern kann...schnauf...Dies soll so erregend auf die beiden wirken, dass dann eine der beiden Schnecken ganz raffiniert ihren Liebespfeil ausfährt und damit in den Fuss der anderen sticht. Die Erregung steigert und steigert sich und irgendwann, vielleicht, revanchiert sich die zweite Schnecke auch mit ihrem Liebespfeil, der ebenfalls im Fuss der anderen Schnecke landet. Nun sind sie also nach ausgedehntem Liebesspiel vereint zu einem Spermienpaket und begatten sich in kurzer Zeit. Manchmal begatten sie sich gegenseitig, häufiger aber nur einseitig. Und dann gehts weiter zum nächsten potentiellen Kanditaten. Schliesslich dauert die Paarungszeit von etwa Mai bis Juni in unseren Breitengraden, doch man will schon Schneckenpaare gesehen haben, die sich noch im August miteinander verlustiert haben. Na ja, wer kann's ihnen schon verdenken, bei der Ausdauer...



Die Schnecke, die bei der Paarung den weiblichen Part innehatte, bildet nun Eier in ihrer Zwitterdrüse und nach weiteren Paarungen und Wochen, begibt sie sich (vorzugsweise in der Zeit von Mitte Juni bis Mitte Juli) auf die Suche nach einem geeigneten Ablageplatz. Die Erde dort sollte gut formbar, nicht all zu schwer und nicht all zu feucht sein. Sie gräbt nun ein Loch von etwa 4 - 6 cm Tiefe und legt jedes ihrer 50 bis 60 Eier einzeln ab. Allerdings nicht zügig hintereinander, denn, ihr erinnert euch: Schnecken sind definitiv nicht die schnellsten Lebewesen, auch nicht bei der Eiablage...und so macht die Schnecke zwischen den einzelnen Eiern eine Pause von 15 bis 30 Minuten. Das kann also dauern...


Nach 25 - 26 Tagen schlüpfen die Jungschnecken, fressen ihre kalkhaltige Eierschale und bleiben noch 8 - 10 Tage in der Erdhöhle, bevor sie das Licht der Welt erblicken. Und ja, sie haben das Häusschen von Geburt an, allerdings ist dieses noch komplett durchsichtig, da es noch keinen Kalk enthält. Und nein, Weinbergschnecken können ohne ihr Haus nicht überleben. Doch sie können ihr Häusschen reparieren, wenn es Defekte aufweisen sollte. Kleinere Risse, Ecken, die am Häusschen fehlen, können von der Schnecke wieder geflickt werden, indem sie sie mit Kalk ausbessert. Doch das ist nur bis zu einem gewissen Umfang möglich.


Atemöffnung beim 'Eingang' des Häuschens.

Immer wieder findet man ja mal ein leeres Schneckenhaus am Wegesrand, da ist klar: die Schnecke ist gestorben: sei es durch Schädlinge, natürliche Feinde, dem Wetter oder gar eines natürlichen Todes. Und je älter die Schnecke, desto kräftiger und stabiler ihr Haus. In der Natur werden Weinbergschnecken bis zu 10 Jahre alt, unter den günstigsten Umständen jedenfalls. In der Schneckenzucht werden sie mit 4 oder 5 Jahren 'geerntet'. Dies deswegen, weil sie erst mit 3 Jahren ihre Geschlechtsreife haben und sich dann noch vermehren können.


Aber wer ist denn nun der König der Schnecken? Habt ihr so ein Schneckenhaus schon mal genauer unter die Lupe genommen? Und euch dabei geachtet, dass die Windung immer auf rechts gedreht ist? Dazu könnt ihr die Schnecke (oder ein leeres Häusschen) nehmen und mit der Öffnung nach vorne in der Hand halten: das Gewinde ist rechts. Solltet ihr aber das unwahrscheinliche Glück haben und eine links gewundene Schnecke finden, habt ihr den König der Schnecken gefunden. Gratulation! Das ist sehr, sehr selten und kommt geschätzt 1 : 40'000 vor.

Allerdings bringt das links gedrehte Häusschen den Königen nicht viel, sie können sich nicht einmal paaren, da die Geschlechtsorgane auf der anderen Seite liegen und sie so nicht kompatibel sind. Auch die übrigen Organe sind spiegelverkehrt abgebildet und das Ganze nennt sich Situs inversus. Gibt es übrigens auch bei Menschen, aber zum Glück nur bei den Organen...nur so nebenbei.


Schnecke mit Kalkdeckel.

Und was haben die Weinbergschnecken nun mit der Kirche zu tun?

Nun, um zu überwintern, sucht sich die Schnecke einen geschützten Ort und verschliesst ihr Häusschen mit einem Kalkdeckel. Sobald ihm Frühling die wärmende Sonne hervorkommt, sprengt sie den Deckel und kriecht nach einem todesähnlichen Schlaf wieder hinaus ins pralle Leben. Im Markus Evangelium wird berichtet, dass Josef den Leichnam von Jesus in die Gruft legte und einen grossen Stein vor den Eingang wälzte. Als aber nun die Frauen den Toten salben wollten, waren sowohl der Stein als auch Jesus fort. In Anlehnung an das Neue Testament wurde die Schnecke zum Symbol für die Auferstehung Christi, was heute aber vielen nicht mehr bekannt ist.


Doch sie sind nicht nur ein Symbol der Auferstehung, sondern eine wichtige Zutat in der Fastenzeit...oder waren es zumindest mal. Früher galt der Genuss von Fleisch als lustfördernd und so war es den Mönchen in der Fastenzeit nicht erlaubt, Fleisch, Eier und tierische Fette zu sich zu nehmen. Doch wovon sich ernähren in dieser Zeit? Fisch wurde bis ins frühe Mittelalter nicht gegessen in den Alpenregionen, und in späteren Zeiten, wenn der Winter lange dauerte und die Seen noch vereist waraen, waren sie auch keine Option. Also kamen die findigen Mönche auf den Schneck, den der galt nicht als Fleisch. Und so kam es, dass Schnecken in der Fastenzeit mit grossem Appetit und noch grösseren Mengen verspeist wurden.


Ihr mögt es kaum glauben, aber es gäbe noch viel mehr zu den Schnecken zu erzählen...aber ich belasse es jetzt dabei.


Bis zum nächsten Mal


Corinna


 
 
 

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